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STIFTUNG INTERNATIONALE POLITIK

MIDTERM ELECTIONS – WIE GEHT ES WEITER IN DEN USA?

Am 8. November, knapp zwei Jahre nach den Präsidentschaftswahlen, finden in den USA die Midterm Elections, auch Zwischenwahlen genannt, statt. Es steht einiges auf dem Spiel: Können die Demokraten ihre Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses verteidigen und so ihre Agenda weitgehend durchsetzen?

Sascha Tamm

Referatsleiter Nordamerika/Lateinamerika

Wahlen stehen für alle 435 Mandate im Repräsentantenhaus sowie für die 36 der 100 Sitze im Senat an. Derzeit gibt es im Senat die knappste aller denkbaren Mehrheiten für die Demokraten – beide Parteien halten je 50 Sitze, die Stimme der US-Vize- und Senatspräsidentin Kamala Harris entscheidet bei Gleichstand. Im Repräsentantenhaus verfügen die Demokraten über 220 Sitze – eine knappe, aber doch in den meisten Fällen sichere Mehrheit. Umfragen geben derzeit den Republikanern sehr gute Chancen, eine Mehrheit im Repräsentantenhaus zu holen, zeigen aber ein etwas anderes Bild für den Senat. Derzeit haben die Demokraten realistische Chancen, ihre knappe Mehrheit dort zu behaupten – zumal die Republikaner deutlich mehr Sitze, nämlich 21 der 36 zur Wahl stehenden, verteidigen müssen und gleichzeitig relativ wenige Chancen haben, bisher demokratische Sitze zu gewinnen.

Midterms sind wichtige Indikatoren dafür, in welchem Maße die Wählerinnen und Wähler die Politik derjenigen Partei unterstützen, deren Spitzenpolitiker das Weiße Haus innehat. Zumeist verliert die regierende Partei bei den Midterms Sitze – es gibt nur wenige Ausnahmen, die gewöhnlich mit besonderen Ereignissen wie etwa den Anschlägen vom 11. September 2001 und der amerikanischen Reaktion darauf zusammenhängen. Bei der Wahlentscheidung spielt gewöhnlich die wirtschaftliche Lage die größte Rolle. Derzeit trägt die hohe Inflation trotz einer immer weiter sinkenden Arbeitslosigkeit viel zur niedrigen Popularität von Präsident Biden bei. Seine Zustimmungswerte lagen lange deutlich unter 40 Prozent, erholen sich jedoch seit Ende des Sommers leicht. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Wirtschaftslage im November für die Amerikanerinnen und Amerikaner darstellt. Und ob es Präsident Biden und seiner Partei gelingt, ihr größtes Projekt, den Inflation Reduction Act, als großen Erfolg darzustellen, der das Leben der Amerikaner positiv beeinflusst. Er sieht u. a. gewaltige staatliche Investitionen in den Klimaschutz und Regulierungen vor, die die Medikamentenpreise für viele Amerikaner senken sollen.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtes der USA, das Urteil „Roe vs. Wade“ zu annullieren und so ein verfassungsmäßiges Recht auf Schwangerschaftsabbruch zu verneinen, machte weltweit Schlagzeilen. Damit wurde die Gesetzgebungskompetenz auf diesem Feld an die Einzelstaaten zurückgegeben. Diese Entscheidung ist sehr umstritten und wird von den Demokraten als wichtiger Mobilisierungsfaktor genutzt. Es ist tatsächlich zu beobachten, dass es nach diesem Urteil einen Anstieg der Wahlmotivation bei den Anhängerinnen und Anhängern der Demokraten gegeben hat. Das ist deshalb wichtig, weil die Wahlbeteiligung ein entscheidender Faktor ist: In einem zunehmend polarisierten Umfeld, in dem es schwieriger wird, Anhänger der anderen Partei für sich zu gewinnen, ist es umso wichtiger, die eigenen Unterstützer zu mobilisieren.

Das gilt insbesondere in den Wahlbezirken, wo es knapp zugehen kann. Das sind nicht sehr viele. In weniger als 100 von 435 Wahlbezirken gilt der Wahlausgang derzeit nach Umfragen und Prognosen als offen. Damit verstetigt sich eine Tendenz der letzten Jahrzehnte. In den Wahlbezirken oder Bundesstaaten, die klar einer Partei zuzurechnen sind, entscheiden praktisch die Primaries (Vorwahlen) einer Partei darüber, wer gewählt wird.

Die Primaries haben wichtige Signale gegeben, in welche Richtung sich das politische Klima entwickelt. In diesem Jahr sind mehrere Trends zu beobachten: In der republikanischen Partei verfügt Donald Trump weiterhin über großen Einfluss. Viele der von ihm unterstützten Kandidatinnen und Kandidaten konnten sich durchsetzen und zweifeln weiterhin die Legitimität der Präsidentschaftswahlen von 2020 an. Allerdings gab es einige wichtige Ausnahmen, bei denen Kandidaten gewannen, die sich klar von Trump distanzieren, so etwa in Georgia. Zu beobachten war außerdem, dass für die Republikaner deutlich mehr Kandidaten ins Rennen gehen, die über wenig oder keine Erfahrung in politischen Ämtern verfügen. Das spricht den großen Teil der republikanischen Basis an, der sehr kritisch gegenüber dem sogenannten „Establishment“ eingestellt ist. Es bleibt aber abzuwarten, ob diese Kandidaten auch potenzielle Wechselwähler ansprechen können. Auf der Seite der Demokraten fällt auf, dass in vielen Fällen die Kandidatinnen und Kandidaten gewannen, die sich eher der politischen Mitte zuordnen lassen und sich nicht mit besonders radikalen Forderungen profiliert haben.

Von einiger Bedeutung sind auch die in zahlreichen Bundesstaaten stattfindenden Volksentscheide zu verschiedensten Themen – insgesamt über 100. Besonders im Fokus steht auch hier das Thema Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Schon im Sommer gab es einen ersten Volksentscheid im eher konservativen Bundesstaat Kansas, bei dem entgegen vielen Erwartungen eine Verfassungsänderung, die dem dortigen Parlament erlaubt hätte, die Möglichkeit von Schwangerschaftsabbrüchen stark einzuschränken, deutlich abgelehnt wurde. Überraschend war dabei auch die relativ hohe Wahlbeteiligung. Zum Thema Schwangerschaftsabbrüche wird es mindestens vier weitere Volksentscheide geben.

Die Midterms werden Hinweise geben, wie sich die amerikanische Politik in den kommenden zwei Jahren gestalten wird, gleichzeitig aber viele wichtige Entscheidungen nicht vorwegnehmen. Schon im kommenden Jahr wird sich der Fokus auf die Kandidatenfrage für das Jahr 2024 richten – gibt es ein Rematch Biden-Trump oder eine andere Konstellation?

Aus europäischer Sicht ist auch Folgendes wichtig: An der amerikanischen Außen-, Verteidigungs- und Handelspolitik wird sich durch diese Wahlen fast gar nichts ändern – und das aus zwei Gründen: Erstens hat der amtierende Präsident einen großen Handlungsspielraum, und zweitens herrscht in den meisten Fragen eine relativ weitgehende Übereinstimmung zwischen den Parteien.

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