FRAKTION MIGRATIONSPOLITIK

WIR STELLEN DAS MIGRATIONSSYSTEM ENDLICH VOM KOPF AUF DIE FÜSSE

Christian Dürr

Christian Dürr

FDP-Präsidiumsmitglied & Fraktionsvorsitzender der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag

Die Welt zu Gast bei Freunden war das offizielle Motto der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Passt dieses Motto auch 2024 noch zu Deutschland?

Ich fand das Motto damals sehr treffend und erinnere mich noch an die gute Stimmung. Fußballturniere sind dafür da, Menschen zusammenzubringen, unterschiedliche Kulturen kennenzulernen und den internationalen Austausch zu fördern. Dass heute während einer EM in Deutschland rassistische Parolen gegrölt werden, ist beschämend. Dagegen wird der Rechtsstaat mit aller Härte vorgehen. Dennoch will ich betonen, dass die breite Mehrheit unserer Gesellschaft unglaublich gastfreundlich ist, das hat auch diese EM gezeigt. Wir sind ein weltoffenes Land, wir sind eine liberale Gesellschaft. Daran hat sich nichts geändert. Denken Sie etwa an die überwältigende Hilfsbereitschaft, als vor zwei Jahren die vielen Menschen aus der Ukraine zu uns kamen.

Ohne Fachkräfte aus dem Ausland wird die Wirtschaftswende nicht gelingen. Wie attraktiv ist Deutschland im weltweiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe?

Wir stellen das Migrationssystem endlich vom Kopf auf die Füße. Deutschland hat in der Vergangenheit Menschen, die bei uns arbeiten wollen, viele Steine in den Weg gelegt. Bei einer Veranstaltung sagte mir einmal ein junger Mann aus dem Ausland, dass es einfacher sei, in Deutschland nicht zu arbeiten und Sozialleistungen zu beziehen, als zu arbeiten. Das ist doch verrückt, zumal in jeder Branche Fachkräfte fehlen. Bürokratie und Vorschriften halten die Menschen vom Arbeitsmarkt ab. Unter CDU und CSU wurden viele Reformen versäumt, das holt diese Koalition gerade nach. Wir haben ein modernes Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild verabschiedet und wir haben die Visavergabe beschleunigt. Früher hat man bei der deutschen Botschaft in Neu-Delhi neun Monate auf ein Visum gewartet, heute sind es zwei Wochen.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Menschen nach Deutschland kommen, die wir hier brauchen? 2023 hat die überwiegend irreguläre Migration nach Deutschland rund 50 Milliarden Euro Kosten verursacht. Was folgt daraus?

Mein Ziel ist, dass Menschen gar nicht erst irregulär einwandern müssen, sondern direkt in den Arbeitsmarkt kommen. Wir haben dafür ein Einwanderungsrecht mit klaren Punkte-Kriterien geschaffen. So stellen wir sicher, dass nur Menschen kommen, die eine reale Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, etwa weil sie eine berufliche Ausbildung oder Fähigkeiten mitbringen, die händeringend benötigt werden. Zudem haben wir das Chancenaufenthaltsrecht eingeführt, das Menschen, die hier bereits in Duldung leben, die Möglichkeit gibt, zu arbeiten. Gleichwohl müssen wir weiter daran arbeiten, dass Pull-Faktoren abgeschafft werden, wegen derer Menschen irregulär einreisen.

Asylbewerber sollen elektronische Bezahlkarten statt Bargeldleistungen bekommen. Das hat die FDP durchgesetzt. Trotzdem sind die Kommunen unverändert am Limit und mancherorts darüber hinaus. Was sagen Sie diesen Kommunen?

Dass wir endlich Ordnung in die Migration bringen. Wir haben ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, um Abschiebungen zu erleichtern. Der Bund leistet weiterhin große Unterstützung für die Kommunen und sorgt gleichzeitig dafür, dass Fehlanreize korrigiert werden. Wir haben Leistungskürzungen vorgenommen und die Bezahlkarte auf den Weg gebracht. Aber wir müssen auch ehrlich sein: Nicht jede Maßnahme entfaltet am nächsten Tag ihre Wirkung, Deutschland ist ein großes Land mit föderalen Strukturen. Die Bezahlkarte wird gerade erst eingeführt, manche Bundesländer hadern noch mit der Umsetzung. Da würde ich mir mehr Geschwindigkeit von den Ministerpräsidenten wünschen, die – wie Markus Söder – gerne mit dem Finger auf den Bund zeigen. Ich finde es gut, dass viele Kommunen vorgeprescht sind und eigene Bezahlkarten einführen. In manchen Landkreisen sieht man bereits erste Erfolge.

Das Rückführungsverbesserungsgesetz gilt nun seit einem halben Jahr. Es soll dafür sorgen, dass Menschen ohne Bleiberecht Deutschland schneller verlassen müssen. Funktioniert das?

Ja, weil wir praktische Dinge geändert haben, damit Abschiebungen unbürokratischer durchgeführt werden. Die Zahl der Abschiebungen steigt und die Zahl der irregulär Eingereisten sinkt. Das war ja jahrelang genau andersherum. Es gab große Hürden, die wir abgebaut haben. Die mögliche Dauer des Ausreisegewahrsams wurde von zehn auf 28 Tage verlängert, die Ermittlungsbehörden bekommen mehr Befugnisse bei der Durchsuchung von Gemeinschaftsunterkünften. Es wird mehr Abschiebungen ohne vorherige Ankündigung geben und wir erleichtern die Rückführung von antisemitischen Straftätern und Schleusern.

Besonders viele Flüchtlinge kommen aus Syrien oder Afghanistan. Abschiebungen in diese Länder werden doch nicht funktionieren.

Vielleicht sollten wir nicht immer nur sagen, was nicht funktioniert. Der offensichtlich islamistisch motivierte Mord an dem Polizisten in Mannheim hat uns alle erschüttert und deshalb dürfen wir nicht nur über Konsequenzen sprechen, sondern müssen sie auch umsetzen. Wer Schutz in Deutschland sucht, verwirkt den Anspruch darauf, wenn er unserem Land und unseren Bürgern Schaden zufügen will. Und die Menschen erwarten zurecht, dass die Politik rechtzeitig handelt. Deshalb müssen wir in solch schwerwiegenden Fällen auch über Abschiebungen in Länder sprechen, in die bislang nicht abgeschoben wurde. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Gespräche mit Nachbarstaaten geführt werden, um Abschiebungen nach Afghanistan zu ermöglichen.

Die EU-Mitgliedsländer haben sich auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verständigt. Was ändert sich durch diese Reform?

Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass über diese Reform schon viele Jahre verhandelt wurde. Europa hat jetzt die historische Chance genutzt und eine Wende in der Asylpolitik eingeleitet. Als FDP haben wir sehr auf diese Einigung gedrängt. Künftig führt die EU Asylverfahren von Menschen mit geringer Aussicht auf Asyl an den Außengrenzen durch, damit es erst gar nicht zu einer Einreise kommt. Zudem müssen EU-Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen, Geld an die Staaten zahlen, die einen größeren Beitrag leisten. Ich bin sicher, dass diese Reform mit der Zeit auch Entlastung für Deutschland bringen wird.

Sollte Deutschland ein Asylabkommen mit Drittstaaten schließen?

Ich halte das für richtig. Mit Asylverfahren in Drittstaaten könnten wir Klarheit über den Schutzstatus schaffen und verhindern, dass sich Menschen ohne Bleibeperspektive auf die gefährliche Route über das Mittelmeer begeben. Wichtig ist mir, dass eine solche Regelung rechtssicher umgesetzt werden kann, anders als in Großbritannien.

Mehr zur neuen Realpolitik im Bereich Migration finden Sie auf fdpbt.de

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